Wenn der TIWAG-Vorstand einen auf Biologe macht

Wenn der Technik-Vorstand der TIWAG
einen auf Biologe macht

Dann geht das in die Hose.

Alexander Speckle kommt aus dem Ingenieurbüro ILF. Er ist im TIWAG-Vorstand für Anlagenplanung und -ausführung zuständig.

Offenbar als Experte für eh alles breitet er in einem Schreiben an Landeshauptmann Mattle auch sein Wissen über die Moorlandschaften im Platzertal aus. Und übernimmt sich dabei ordentlich.

 

Der Ökologe Univ.-Doz. Dr. Armin Landmann, der seit 50 Jahren u.a. die Tiroler Moore und deren Lebensgemeinschaften untersucht, hat Speckles Behauptungen auf Anfrage einer kurzen Überprüfung unterzogen.

Dipl.Ing. Alexander Speckle: Vom Speicher im Platzertal sind insgesamt 7,26 ha nicht zusammenhängende Kleinseggenriede und Quellfluren betroffen. Bei diesen weniger als 1 ha handelt es sich um von Grund- und Hangwasser beeinflusste Niedermoore, jedoch nicht um von Regenwasser gespeiste Hochmoore.

Univ.-Doz. Dr. Armin Landman: In dieser Aussage zeigt sich das mangelnde ökologische Verständnis und der unzulässige Relativierungsversuch von Herrn Speckle. Auch wenn manche Moorteile im Platzertal durch dazwischen liegende andere Vegetationstypen räumlich etwas getrennt sind, so bilden sie selbstverständlich funktionell eine zusammenhängende Einheit, deren Teile vor allem durch den Talbach mit seinen natürlichen Uferzonen verbunden sind.

Armin Landmann

Speckle: Der Feuchtflächenkomplex im Platzertal kann aufgrund der überwiegend geringen Moorbodenmächtigkeit  – großteils unter 5 cm, kleinflächig über 30 cm – keinen nennenswerten Beitrag zur CO2-Speicherung leisten. Das steht insbesondere in keinem Verhältnis, wenn man vergleicht, wie viel CO2 reduziert wird, wenn man die Wasserkraft im Kaunertal nutzt: Das sind nämlich pro Jahr mindestens 300.000 Tonnen CO2 weniger.

Landmann: Ich möchte hier nicht näher auf die – auch wissenschaftlich wenig reflektierte – CO2-Hysterie und die Milchmädchen-Rechnung mit der angeblichen CO2 Bilanz des KW Kaunertal eingehen. Vielleicht sollte sich Herr Speckle aber einmal informieren, wie und woraus die meisten Produkte für Bau und Betrieb von Kraftwerken hergestellt werden (Stichwort Petrochemie!) und einmal kalkulieren, wie viele Tonnen CO2 allein im Zuge des Baus in Hochlagen (Stichwort z.B. LKW- Verkehr) freigesetzt werden.

Unabhängig davon spiegelt die Aussage nur die Ignoranz und den Mangel an Argumenten von Speckle wider: Viele der typischen Moore der Hochalpen sind relativ jung und haben daher (noch) geringe Torfmächtigkeiten. Das als Freibrief für die Zerstörung alpiner Niedermoore aufzufassen, ist geradezu obszön.  Als ob Moore und Feuchtgebiete plötzlich nur mehr wegen ihrer CO2 Speicherung schutzbedürftig wären und nicht vor allem wegen ihrer überregionalen Bedeutung und Einflüsse auf Landschaftsbild, Wasserhaushalt, Erholungswert, Tiere und Pflanzen.

Speckle: Zudem ist eine Reihe von speziellen Ausgleichsmaßnahmen auf in Summe 19 ha Fläche vorgesehen: Renaturierung und Erhaltung des ca. 6 ha großen Piller Moors im Pitztal sowie Verbesserung des ökologischen Zustandes ausgewählter Feuchtgebietsflächen im Umfeld des Platzertals mit in Summe ca. 11 ha.

Landmann: Komplexe Lebensgemeinschaften sind nicht einfach beliebig im Raum verschiebbare Schachfiguren! Realistisch betrachtet, ist bei größeren Eingriffen ein wirklicher Ersatz oder Ausgleich für die Beeinträchtigung sensibler Schutzgüter nicht zu schaffen. „Ausgleichsmaßnahmen“ sind daher meist nur kosmetische Ablenkungsmanöver. Der Begriff ist vor allem dann unangebracht, wenn fernab von den Eingriffsflächen Maßnahmen für andere als die betroffenen Lebensraumtypen (z.B. Piller Hochmoor in der Waldstufe vs. flächige Überstauung alpiner Quellfluren und Niedermoore) angeboten werden.

Speckle: Eine weitere Ausgleichsmaßnahme ist die Neuanlage eines sogenannten Kleinseggen- und Quellflurkomplexes direkt an der Stauwurzel im Platzertal.  

Landmann: Es ist wie gesagt ökologisch unbedarft zu glauben, Biotope und Lebensgemeinschaften unterschiedlicher Raumkonnexe und abiotisch-biotischer Bezüge einfach gegeneinander „aufrechnen“ bzw. „verlegen“ oder „neu anlegen“ zu können. Einmal abgesehen davon, dass die vorgesehene „Ausgleichsfläche“ im hintersten Talgrund des Platzertals schon flächenmäßig nur einen unzureichend kleinen Teil der direkt zerstörten „Originalbiotope“ ausmachen würde, ist es – gelinde gesagt – „überoptimistisch“, an einem Standort, der von der Höhenlage, den bodenkundlich, topografischen sowie kleinklimatisch abweicht (und zudem ungünstiger, weil extremer ist), die Lebensraumverhältnisse, Raumbeziehungen, Vegetationsmuster und vielfältigen Tiergemeinschaften und deren Beziehungen zueinander einfach „nachbauen“ zu können.

20.3.2024